Review: Globale Ungleichheiten und methodologischer Okzidentalismus

Das Buch von Manuela Boatcă schließt ein Forschungsdesiderat zur Soziologie globaler Ungleichheiten jenseits eines methodologischen Okzidentalismus. Die Autorin rekonstruiert den Einfluss der klassischen, europäischen Theorien von Karl Marx und Max Weber auf gegenwärtige internationale Ansätze zur Analyse von nationalen, transnationalen und globalen Ungleichheiten. Zugleich kritisiert sie die systematische Vernachlässigung der kolonialen und imperialistischen Vergangenheit okzidentaler Gesellschaften zur Erklärung bestehender globaler Machtasymmetrien. Die interdisziplinäre Arbeit steht in den Traditionen der Weltsystemanalyse, der Postkolonialismusforschung, der Entwicklungstheorie, der Forschungen zu multiplen Modernitäten, Gender Studies, der Intersektionalitätsforschung und der neueren transnationalen Migrationsforschung. Diese Komplexität verleiht dem Buch mit Sicherheit ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Forschungslandschaft zu globalen Stratifizierungsprozessen. Darüber hinaus trägt Boatcă theoriebildend zum gegenwärtig steigenden Interesse an einer stringenten methodischen Konzeptualisierung einer globalen Sozialstruktur- und Ungleichheitsanalyse bei. Globale Ungleichheiten können demnach nicht mehr als statische Ungleichheit innerhalb und zwischen nationalstaatlichen Containern analysiert werden, sondern müssen im Sinne eines methodologischen Kosmopolitismus auf globaler Ebene verhandelt werden, wobei die zugrunde liegenden Prozesse der Ungleichheitsproduktion in den Blick zu nehmen sind.