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Open Access An Inquiry into Historical Experience and Its Narration: The Case of Günter Grass

Der Artikel beleuchtet die Rolle fiktiver Erzählungen für die Konstitution und das Verstehen von Vergangenheit. Dabei wird deutlich, dass narratologische Studien dem Konzept der Erfahrung und Erfahrbarkeit eine zentralere Position einräumen müssen, als dies bisher der Fall ist, um die Funktionsweise und Bedeutung historischer Fiktion für unser Verständnis von und Verhältnis zur Vergangenheit herauszuarbeiten. Stärkere Aufmerksamkeit sollte vor allem der Temporalität und Historizität von Erfahrung zukommen sowie der komplexen Beziehung zwischen Literatur und historischer Realität. Der Artikel plädiert für ein weit gefasstes Konzept historischer Erfahrung, das scheinbar ereignisloses Alltagsleben von Individuen und Gemeinschaften einbezieht; die realhistorische Welt beeinflusst Formen der Erfahrung/Erfahrbarkeit, die ihrerseits Ausdruck in unterschiedlichen Erzählweisen finden.

Um obige Annahmen zu untermauern, sollen Romane von Günter Grass – insbesondere Hundejahre (1963) und Beim Häuten der Zwiebel (2006) – einer genaueren Untersuchung ihrer narrativen Strukturen unterzogen werden. Die Analysen zeigen, wie Grass’ Romane die historische Erfahrung des Aufwachsens in Nazideutschland und unterschiedliche Formen zeitlicher Wahrnehmung während und nach dem 2. Weltkrieg spiegeln. Die Romanerzähler verbinden die Eindrücke eines Kindes aus dem Kleinbürgermilieu während der Blüte des Nationalsozialismus mit dessen retrospektiver Bewertung dieser Erfahrungen. Eine Analyse der Romane von Grass zeigt, dass Literatur wertvolle, philosophisch komplexe Einsichten in die historisch vermittelte Natur von Erfahrung geben kann und stellt damit die von vielen Narratologen angenommene Unmittelbarkeit von Erfahrung in Frage.

Romane sind epistemologisch bedeutend, da sie die Vergangenheit nicht nur darstellen, sondern uns helfen zu verstehen, wie die Menschen die historische Welt wahrnahmen, wie es möglich war, dass passierte was passierte, und wie wir der Vergangenheit über Geschichten Sinn geben. Die ontologische Bedeutung der Romane liegt in ihrer Fähigkeit die zeitliche und historische Natur der menschlichen Existenz zu untersuchen und uns vor Augen zu führen, wie die Vergangenheit und unser Verständnis davon unser Dasein im Jetzt bestimmen. Letztlich können sie auch ethisch von Wert sein, indem sie uns an die ethische Dimension historiographischer Erzählung erinnern und an aus vergangenen Ereignissen erwachsende Verantwortung für die Zukunft.

Document Type: Research Article

Publication date: 01 January 2011

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