Politische Bildung zwischen Emanzipation, Affirmation und Entwertung
Politische Bildung hat in Deutschland eine besondere Bedeutung und spezifische Geschichte. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und dem erneuten Versuch der Etablierung einer Demokratie erhielt politische Bildung die Aufgabe zugeschrieben, dass Auschwitz nicht
mehr passiere. Theodor W. Adorno formulierte in den 1960er-Jahren den für die politische Erinnerungs- und Bildungsarbeit prägenden pädagogischen Imperativ: ,,Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher
anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen“ (Adorno 1971, S. 88). Den Faschismus nicht aus den Augen lassend und die autoritären Entwicklungen in Deutschland erkennend, stellte er die Prinzipien von Autonomie und Mündigkeit für
eine kritisch-emanzipatorische Bildung in den Vordergrund: ,,Die einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie, wenn ich den Kantischen Ausdruck verwenden darf; die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen“ (ebd., S. 93). Eine Demokratie
verlange mündige Menschen, so Adorno weiter, wenn sie nicht nur als rein ,,formale“ verstanden werden soll. Verwirklichte Demokratie sei nur als Gesellschaft von mündigen, selbstbestimmten Menschen vorzustellen, wobei die Konkretisierung der Mündigkeit darin bestehe, ,,daß
die paar Menschen, die dazu gesonnen sind, mit aller Energie darauf hinwirken, daß die Erziehung eine Erziehung zum Widerspruch und zum Widerstand ist“ (ebd., S. 145).
Document Type: Research Article
Publication date: 01 January 2008
- Das Jahrbuch für Pädagogik macht es sich seit 1992 zur Aufgabe, Diskurs- und Realentwicklungen in Pädagogik und Bildungspolitik kritisch zu begleiten und aus bildungs- und gesellschaftstheoretisch interessierter Perspektive zu beleuchten. Als bildungstheoretische Leitidee gilt ein Konzept von Mündigkeit, welches historisch und theoretisch im internen Zusammenhang von Aufklärung, Demokratie und Bildung gründet. Pädagogik wird als ein spezifisches theoretisches und praktisches Handlungsfeld von Gesellschaft begriffen. Nach dem Verständnis des Jahrbuchs können daher Fragen von Bildung und Erziehung nicht allein aus der disziplinären Perspektive der Erziehungswissenschaft bearbeitet werden, sondern bedürfen interdisziplinärer gesellschafts- und humanwissenschaftlicher Zugänge. Der interdisziplinäre Horizont und die Verknüpfung von bildungs- und gesellschaftstheoretischen Sichtweisen schlagen sich sowohl in der Wahl der Jahresthemen wie der Autorinnen und Autoren nieder. Einen markanten Zug im Profil des Jahrbuchs bildet die zentrale Bedeutung des Jahresthemas, auf welches sich nahezu alle Beiträge beziehen, so dass jeder Band als jährliches Periodikum zugleich ein Aufsatzband zu einer thematischen Fragestellung ist.
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