Vom Tabu zum Trend – Arbeitslosigkeit im Fernsehen
Es gibt Themen, über die spricht man nicht – oder nur ungern. Arbeitslosigkeit z.B. ist ein Thema, das in der Öffentlichkeit kein Thema ist, sofern es sich vermeiden lässt. Es stört das Gesamtbild einer vermeintlich (noch) funktionierenden sozialen Marktwirtschaft
und wird von der politischen Elite immer wieder möglichst weit an den Rand ihrer um Optimismus bemühten (Selbst)Darstellungen gedrängt. Doch letztlich sind diese Versuche zwecklos: ,,Das Thema hat gegenüber anderen chronischen Problemen einen großen Vorteil. Es kann
nicht aus dem Blickfeld der Medien verschwinden“ (Niggemeier 2006, S. 99), denn wenn die Arbeitslosenzahlen am Anfang eines jeden Monats von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg veröffentlicht werden, kommt das Fernsehen als Leitmedium artig seiner Informationspflicht
nach und meldet den aktuellen Stand in den Nachrichten – vornehmlich durch abstrakte Zahlen und abstruse Grafiken. Doch wer kann sich eine Menge von mehreren Millionen Menschen auch nur annähernd vorstellen oder aus kurz eingeblendeten Schaubildern binnen Sekunden die prozentuale
Entwicklung der Beschäftigungslage im Vergleich zum Vormonat ablesen? Und wenn Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, in einem kurzen Einspieler tonlos die Statistiken verliest, trägt das genauso wenig zum Verständnis bei wie die fernsehgerecht
filetierten Worthülsen der ,betroffenen‘ Arbeitgebervertreter und Politiker aller Parteien. Auch die verbrämten Stellungnahmen der ebenfalls ,betroffenen‘ Gewerkschaftsfunktionäre und Vertreter diverser Wohlfahrtsverbände helfen nicht weiter, denn um sich in
der Öffentlichkeit zu behaupten, passten sie ihre Erklärungen im Laufe der Zeit verbal den medialen Verhältnissen an, indem sie kurzerhand den Jargon der Gegenseite kopierten. Jetzt kommentieren sie die aktuellen Entwicklungen ebenso professionell – und ebenso nichtssagend.
An manchen Stellen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ehemals deutlich markierte sozialpolitische Grenzen langsam aber sicher verschwimmen.
Document Type: Research Article
Publication date: 01 January 2008
- Das Jahrbuch für Pädagogik macht es sich seit 1992 zur Aufgabe, Diskurs- und Realentwicklungen in Pädagogik und Bildungspolitik kritisch zu begleiten und aus bildungs- und gesellschaftstheoretisch interessierter Perspektive zu beleuchten. Als bildungstheoretische Leitidee gilt ein Konzept von Mündigkeit, welches historisch und theoretisch im internen Zusammenhang von Aufklärung, Demokratie und Bildung gründet. Pädagogik wird als ein spezifisches theoretisches und praktisches Handlungsfeld von Gesellschaft begriffen. Nach dem Verständnis des Jahrbuchs können daher Fragen von Bildung und Erziehung nicht allein aus der disziplinären Perspektive der Erziehungswissenschaft bearbeitet werden, sondern bedürfen interdisziplinärer gesellschafts- und humanwissenschaftlicher Zugänge. Der interdisziplinäre Horizont und die Verknüpfung von bildungs- und gesellschaftstheoretischen Sichtweisen schlagen sich sowohl in der Wahl der Jahresthemen wie der Autorinnen und Autoren nieder. Einen markanten Zug im Profil des Jahrbuchs bildet die zentrale Bedeutung des Jahresthemas, auf welches sich nahezu alle Beiträge beziehen, so dass jeder Band als jährliches Periodikum zugleich ein Aufsatzband zu einer thematischen Fragestellung ist.
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